Ich bin begeisterter Taizé-Fahrer. Das ist ein Ort in einer schönen, aber abgelegenen Ecke Frankreichs. Was dort passiert, ist eigentlich nicht sehr attraktiv: Man wohnt in schlichten Baracken oder Zelten, geht dreimal am Tag zur Andacht der Gemeinschaft, die dort zusammenlebt, liest miteinander in der Bibel und arbeitet.
Dennoch fasziniert die Kommunität Taizé so sehr, dass jedes Jahr tausende Jugendliche eine Woche mit den „Brüdern“, wie sie sich selbst nennen, das Leben teilen. Nur wenige kehren unberührt wieder heim. Liegt es an der Schlichtheit ihres Lebens, der einen wohltuenden Kontrast bildet zur Überfülle unseres heutigen Alltags? Oder liegt es daran, dass man hier einen Gang runterschalten kann, weil die Lebensgeschwindigkeit noch ein überschaubares und verträgliches Maß hat?
Als ich zuletzt vor einigen Jahren dort war, wurde der Ort von Soldaten bewacht. Das war kurz nach den Anschlägen auf das Satiremagazin Charlie Hebdo. Islamistische Fundamentalisten hatten dort ein Blutbad im Namen des Glaubens angerichtet. Wie anders wird hier geglaubt: Abends standen wir mit den Soldaten bei Cola und Eis zusammen – für die Taizé-Kundigen unter den Lesern: im Oyak. Ich fragte sie, wie sie diesen Ort empfinden, und die jungen Männer in Camouflage antworteten: „Peace and friendship!“ Sie bewunderten, dass es einen Ort gibt, an dem Frieden und Freundschaft im wahrsten Sinne in der Luft liegen und mit jedem Atemzug die Seele ein bisschen mehr durchdringen. Im Gegensatz zu den ebenfalls durch die Luft schwirrenden Vorurteile berührt wahrer Glaube die Herzen und lässt diese Sehnsuchtsorte der Hoffnung, des Friedens und der Verständigung entstehen, die unsere Welt so bitter nötig hat, wie es auch im 2. Petrusbrief zum Ausdruck kommt:
Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt. (2. Petrusbrief 3,13)
Immer wieder wird zurecht nach der Relevanz von Gemeinde für die Welt gefragt. Man denkt unwillkürlich an diakonische Arbeit für die Randgruppen in unserer Gesellschaft, Hilfe für die Armen und konkrete Unterstützung für die Schwachen. Alles beginnt aber damit, dass Gemeinde zu einem solchen Sehnsuchtsort wird, in dem die Verheißung ein Stück näher rückt, von der hier die Rede ist. Wo die Mauer zwischen den Menschen plötzlich durchscheinender, geradezu durchsichtig wird und man sich plötzlich vorstellen kann, dass aus der Utopie Wirklichkeit werden kann; dass es so einen Ort geben könnte jenseits aller Ungerechtigkeit und das Warten auf einen neuen Himmel und eine neue Erde sich lohnt. Und die gute Nachricht lautet: Solche Orte gibt es!