Dateien, bei denen ich nicht weiß, wohin, landen auf meinem Computer im „Temp-Ordner“. Ausgeschrieben heißt das „Temporary Ordner“ und bedeutet, dass hier nur Dateien landen, die nach kurzer Zeit wieder gelöscht werden können. In der Theorie.
In der Praxis ist mein Temp-Ordner sehr groß, und ich schaue dort oft vorbei. Warum? Weil manche vermeintlich kurzlebigen Dateien nach Monaten doch noch einmal wichtig werden. Zum Beispiel wenn ich eine Tabelle als Vorlage nehmen kann und nicht ganz von vorn beginnen muss. Es ist erstaunlich, wie langlebig manche Dateien sind, obwohl man dachte, sie nur einmal kurz zu brauchen. Aber inzwischen ist Speicherplatz kein Problem mehr und man kann die Dateien getrost liegenlassen, notfalls bis zum jüngsten Tag.
Über die Zeit hat sich der Temp-Ordner zu einer wichtigen Quelle gemausert, verloren geglaubte Dateien wiederzufinden. Er ist sogar zu einer virtuellen Schatzkammer geworden, denn manchmal finde ich nutzlose Dateien, die einfach spannend sind, nach Jahren noch einmal zu lesen. Zum Beispiel ein Formular, mit dem ich bestätige, dass der Inhaber die Ausgangssperre während der Coronazeit übertreten darf. Dieser Ordner ist ein kleines Wunder, denn er verwandelt auf geheimnisvolle Weise Dateien, die ich auf den digitalen Müllhaufen geworfen habe in etwas Wertvolles. Es braucht nur etwas Zeit.
Genau das macht der Glauben auch: Er verwandelt vermeintlich nutzlose Kreaturen auf geheimnisvolle Weise in etwas Wertvolles. Ganz ähnlich wie die Dateien in meinem Temp-Ordner behandelt unsere Gesellschaft Menschen so, als wären sie nur für den „zeitweisen Gebrauch“ bestimmt. Je älter wir werden, desto schwerer können wir in der Innovations- und Beschleunigungsspirale mithalten. Die Natur scheint das Gleiche zu sagen: Je älter wir werden, desto mehr gesundheitliche Probleme stellen sich ein. In jeglicher Hinsicht sind wir begrenzt und das kann man mit zusammengesetzten Worten umreißen, die mit „-fähigkeit“ aufhören: Wir haben eine begrenzte Leistungsfähigkeit, Liebesfähigkeit, Beziehungsfähigkeit, Leidensfähigkeit. Unser Leben ist vorläufig und endlich. Jederzeit könnte mit der Löschtaste des Unglücks unser Dasein zu Ende gehen. Und an dieser Stelle ereignet sich das Wunder des Glaubens, die Verwandlung des Vorläufigen in einen „Schatz in irdenen Gefäßen“, wie Paulus im 2. Korintherbrief formuliert hat. Die Begrenztheit unseres Lebens ist umfangen von der Ewigkeit Gottes. Der Glaube verwandelt das Verwelkende in das Aufblühende wahren und unzerstörbaren Lebens.
Zunächst geschieht diese Verwandlung durch den Glauben in unserem Geist. Schließlich aber wird sie am Ende aller Tage sichtbar werden.