Erlaubnis

Wandertage. So hießen die Ausflüge, die ich in Kindertagen mit unserer Schule gemacht habe. Wir waren im Spielzeugmuseum oder im Planetarium. Einmal besuchten wir den Tierpark mit seinen Elefanten, Giraffen und Bären. Höhepunkt war der große Abenteuerspielplatz. Ich habe mich immer auf die Wandertage gefreut. Statt sich in der Schule zu langweilen, konnte man etwas erleben. Der einzige Haken: Man brauchte eine Erlaubnis seiner Eltern. Hatte man die vergessen, musste man in der Schule bleiben.

Erlaubnis – das bedeutet, dass man nicht alles darf, sondern eine Bestätigung dafür braucht. Das ist ein ungewöhnlicher Gedanke in unserer Gesellschaft, die die individuelle Freiheit über alles andere schätzt. Es ist ein Gedanke, der in einem Bibelvers von Paulus vorkommt:

Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich. (1. Korinther 6,12)

Zunächst muss man ein Missverständnis klären: Der Vers klingt so, als wäre Paulus der Meinung, alles sei erlaubt. Tatsächlich zitiert er hier nur ein Argument, das die Christen in Korinth ins Feld führen. Zum besseren Verständnis müsste man diesen Vers ergänzen: „Ihr sagt ‚alles ist mir erlaubt‘, aber ich sage nicht alles dient zum Guten.“ Die absolute Freiheit gibt es nicht. Sie ist immer begrenzt. Zum Beispiel dort, wo sie auf Kosten eines anderen Menschen geht. Es ist sinnvoll, dass man eine Baustelle nicht betreten darf oder eine Fahrerlaubnis braucht, um ein Auto durch den Verkehr steuern zu dürfen.

Paulus findet Warnhinweise gut, weil sie auf eine Gefahr aufmerksam machen. Ihm ging es vor allem um die Leiblichkeit. Damals glaubten viele Christen in Korinth, dass es keine Rolle spielt, was mit dem Leib passiert, denn nur die in ihm wohnende Seele wird gerettet. Also „Sex, Drugs und Rock ‘n‘ Roll“ – alles egal in den Augen Gottes? Spätestens nach einer durchzechten Nacht weiß jeder, dass das nicht stimmt. Alles hat seinen Preis und man muss die Konsequenzen tragen, wenn man Raubbau an sich selbst betreibt. Es ist eigentlich paradox: Je freier wir uns etwas erlauben, desto mehr kann uns das gefangen nehmen und einschränken.

Ich gebe es freimütig zu: Ich war ein Zuckerjunkie. Jeden Abend packte mich das große Verlangen nach etwas Süßem. Eine Tafel Schokolade, Hanuta, Duplo – wenn ich „meinen Stoff“ nicht bekam, kam das „große Zittern“. Natürlich ist es schön, dass wir im Land der vielfältigen Lebensmittel wohnen, in dem man sich Schokolade leisten kann. Aber wenn man sie unbedingt braucht? Irgendwann wurde mir dieses Gefühl unheimlich. Jeden Abend dieses unbändige Verlangen. Es hat mich viel Kraft und über ein halbes Jahr gekostet, bis ich davon „geheilt“ war. Und manchmal packt es mich heute noch. Vielleicht bin ich auch „trockener Zuckerholiker“.

Paulus hat schon Recht: Wirkliche Freiheit bekommen wir, wenn nichts Macht über uns hat als Gott allein.